Leistungsfähigkeit und Hinzurechnung von fiktiven Einkommen
Im Rahmen des Kindesunterhaltsrechts haben Eltern für gemeinsame Kinder die Unterhaltspflicht. Trennen sich die Eltern kommt es häufig zu der Situation, dass ein Elternteil barunterhaltspflichtig ist und der andere Elternteil durch Pflege des Kindes den Unterhalt leistet, da das Kind zum Großteil bei diesem Elternteil lebt.

Im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht haben die Eltern nach § 1603 Abs. 2 BGB die gesetzliche Pflicht, ihre gesamte Leistungsfähigkeit für den Unterhaltsanspruch des Kindes zur Erwirkung des Unterhalts zu erbringen. Das bedeutet, dass sie mindestens den Mindestunterhalt für das Kind der jeweiligen Altersstufe nach der Düsseldorfer Tabelle zu erbringen haben. In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass sich der barunterhaltspflichtige Elternteil auf seine Leistungsunfähigkeit beruft. Er gibt an, dass er nicht in der Lage sei, eine entsprechende Tätigkeit auszuüben, um tatsächlich den Mindestkindesunterhalt bedienen zu können.

Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung bereits deutlich gemacht, dass es keine Erfahrungssätze dafür gibt, dass ungelernte Kräfte auch in einer schlechten Arbeitsmarktlage nicht in der Lage seien, eine vollschichtige Tätigkeit zu erzielen, vgl. BGH NJW 2014, 932. Auch der Einwand, dass beispielsweise die Corona-Pandemie dazu geführt hat, dass man nicht in der Lage gewesen sei, einen entsprechenden Vollzeitjob erzielen zu können, um der Unterhaltspflicht Genüge zu tun, reicht nicht aus, um die Leistungsunfähigkeit zu begründen (vgl. hierzu OLG Köln, FUR 2021, 427). Auf diese Grundsätze hat sich auch das Oberlandesgericht Bremen berufen, als es um die Frage ging, ob eine ungelernte Kraft im Rahmen einer von ihm vorgetragenen schlechten Arbeitslage aufgrund der Corona-Pandemie sich tatsächlich auf die Leistungsunfähigkeit berufen konnte. Das Oberlandesgericht Bremen hat dies als unbegründet angesehen und dem Elternteil, der barunterhaltspflichtig ist, ein fiktives Einkommen zugerechnet, so als hätte er eine Vollzeittätigkeit mit 40 Stunden.
OLG Bremen, Az.: 5 UF 5/23, Beschluss vom 28.03.2023, eingestellt am 22.12.2023