Verfassungsbeschwerde der Verfahrensbeiständin im familiengerichtlichen Verfahren
In familiengerichtlichen Verfahren wird, wenn es um Sorgerechtsangelegenheiten oder Umgangsangelegenheiten von Kindern mit ihren Eltern geht, für die Kinder eine Verfahrensbeiständin oder ein Verfahrensbeistand bestellt. Deren Aufgabe ist es, die Interessen der Kinder wahrzunehmen.

Im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde hatte eine Verfahrensbeiständin, die für das Kind bestellt war, vor dem Bundesverfassungsgericht wegen einer durch das Oberlandesgericht angeordneten Rückführung des Kindes aus einer Pflegefamilie zu den leiblichen Eltern die Verfassungsbeschwerde eingelegt. Begründet wurde dies damit, dass die Rückführung des Kindes aus der Pflegefamilie zu den leiblichen Eltern die Grundrechte des Kindes verletzen würde. Teile der elterlichen Sorge und des Aufenthaltsbestimmungsrechts waren im gerichtlichen Verfahren den leiblichen Eltern, die eine intensive Drogenhistorie nebst psychischen Erkrankungen, Arbeits- und Wohnungslosigkeit hatten, entzogen worden und das Kind war zuvor in eine Pflegefamilie verbracht worden. Nunmehr lebten die Eltern erneut zusammen und hatten vor dem Oberlandesgericht im Rahmen der Beschwerde beantragt, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater zu übertragen wäre. Das Oberlandesgericht gab diesem statt, verbunden mit der Anordnung, medizinische Reha-Maßnahmen vorzunehmen.

Im Rahmen der erfolgreichen Verfassungsbeschwerde durch die Verfahrensbeiständin führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass der Staat auch eine Schutzfunktion für das Kindeswohl hat und aus dieser Schutzpflicht sich auch eine Trennung des Kindes von den Eltern ergeben kann, wenn dies verfassungsrechtlich geboten ist. Basis hierfür ist eine Gefahrenprognose für das Kind. In einem familiengerichtlichen Verfahren hat deshalb diese Prognose durch das Gericht zu erfolgen, ob die Rückkehr des Kindes in die Familie das Kind in seinem seelischen, geistigen oder körperlichen Wohl nachhaltig beeinträchtigt und gefährdet ist.

Das zuständige Gericht hat sich mit dieser Prognose detailliert auseinanderzusetzen und hat auch zu klären, weshalb es eine Gefahr für das Kindeswohl bei der Rückführung des Kindes zu den leiblichen Eltern als nicht gegeben ansieht. Dabei hat es sich auch an den Empfehlungen von Verfahrensbeistand, Jugendamt oder Sachverständigen zu orientieren. Weicht es von deren Empfehlungen ab, so ist im Beschluss detailliert zu begründen, weshalb von diesen Empfehlungen abgewichen wird und das Gericht zu einer anderen Prognoseentscheidung kommt. Tut es dies nicht, kann in der mangelnden Prognose eine Grundrechtsverletzung des Kindes gesehen werden.
Bundesverfassungsgericht, Az.: 1 BvR 65/22, Kammerbeschluss vom 05.09.2022, eingestellt am 22.02.2023