Zur Annahme einer Sittenwidrigkeit bei Vornahme einer Schenkung
Nach § 138 BGB sind Rechtsgeschäfte nichtig, wenn sie gegen die guten Sitten verstoßen. Hierzu zählt auch, wenn sich jemand durch die Willensschwäche, Unerfahrenheit oder Ausbeutung einer Zwangslage Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt. Hierfür erforderlich ist, dass der Sachverhalt in seinem Gesamtcharakter zu bewerten ist und bei Fragen der Schenkung und damit bei einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft nach den Motiven des Zuwendenden und des Zuwendungsempfängers zu bewerten ist.

Dem Bundesgerichtshof lag ein Sachverhalt zur Entscheidung vor, worin ein betagter Großvater seinen Enkeln ein Aktiendepot und seinem Sohn ein Mehrfamilienhaus übertragen hat. Dieses erfolgte schenkweise bei einem Notartermin, und im Notartermin wurde dem betagten Vater und Großvater erstmals der Übertragungsvertrag vorgelegt. Zuvor soll der Schenker von den Beschenkten in einer von ihm wahrgenommenen Isolation und Überwachung befunden haben.

Der Bundesgerichtshof führt in seiner Entscheidung aus, dass im Rahmen der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB zu prüfen ist, ob nicht nur eine Zwangslage vorliegt, sondern auch, ob ggf. der Beschenkte eine Zwangslage bewusst für sich ausnutzt. Der Bundesgerichtshof sah in der Gesamtwürdigung der Umstände die Sittenwidrigkeit als möglich an und hat aufgrund der Ansicht, dass das Berufungsgericht diese Gesamtumstände im Rahmen des § 138 BGB nicht vollständig gewürdigt hat, die Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
BGH, Az.: X ZR 40/20, Urteil vom 15.11.2022, eingestellt am 07.06.2023