Zur Frage, wann bei Schulverweigerung eine Kindeswohlgefährdung vorliegt
Nach § 1666 BGB kann das Gericht bei Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung körperlicher oder seelischer Art einschreiten, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist und die Eltern nicht willens oder in der Lage sind, die Kindeswohlgefährdung abzuwenden.
Vor dem Oberlandesgericht Bamberg ging es um die Fragestellung, ob bei einem Kind, das zuhause unterrichtet wird und nicht die öffentliche Schule besucht, eine Kindeswohlgefährdung vorliegt und das Gericht Maßnahmen zu ergreifen hat, um diese Gefährdung abzuwenden.
Das Kind, das von seiner Mutter zuhause unterrichtet wurde, war gehörlos, hatte ein Cochlea-Implantat, das ihm das Hören ermöglichte, war sozial in einen Freundeskreis und in Freizeitaktivitäten eingebettet.
Das Oberlandesgericht führt aus, dass bei der Frage, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, wenn das Kind nicht zur Schule geht oder eine Schulverweigerungshaltung vorliegt, nur dann eingegriffen werden kann, wenn eine konkrete Gefahr für das Kind besteht. Im vorliegenden Fall wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt, das keine konkrete Gefahr nachweisen konnte, sondern lediglich eine abstrakte Gefahr, dass eine Benachteiligung für das Kind in Zukunft möglich sein könnte. Das Oberlandesgericht führt aus, dass die abstrakte Gefahr gerade nicht ausreicht, um ein Eingreifen des Gerichts nach § 1666 BGB zu ermöglichen.
Daraus ergibt sich, dass im Rahmen der Schulverweigerung oder der Heimbeschulung es jeweils auf den konkreten Einzelfall ankommt, ob die Heimbeschulung zu einer Kindeswohlgefährdung führen kann und damit auch zu einem Missbrauch der elterlichen Sorge, so dass das Gericht nach § 1666 BGB entsprechende Maßnahmen einzuleiten hat. Schulverweigerung an sich führt nicht automatisch zu einem Eingreifen des Gerichts nach § 1666 BGB.
Das Gericht verweist weiter darauf, dass es sich bei § 1666 BGB um die Abwehr einer konkreten Gefahr handelt und im Rahmen der Schulförderung keine Grundlage dafür darstellt, dem jeweiligen Kind die bestmöglichste Förderung anzugedeihen.
Ferner weist das Gericht darauf hin, dass die Einhaltung der Schulpflicht nicht Sache des Gerichts sei, sondern der entsprechend dafür vorgesehenen landesrechtlichen Behörden.
OLG Bamberg, Az.: 2 UF 220/20, Beschluss vom 22.11.2021, eingestellt am 01.08.2022