Zur Diagnose der Geschäftsunfähigkeit eines Erblassers
Geschäftsunfähig nach § 104 BGB ist, wer sich in einem Zustand einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit unter Ausschluss der freien Willensbildung befindet, wenn dieser Zustand nicht nur vorübergehend ist.

Für die Abfassung von Verträgen ist die Geschäftsfähigkeit erforderlich. Ist in einem Erbstreit fraglich, ob die handelnde Person bei der Abfassung eines Erbvertrages geschäftsfähig war, so ist hierfür ein fachärztliches psychiatrisches Gutachten einzuholen. Nur wenn dieses fachärztliche Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Geschäftsfähigkeit vorliegt, können solche Verträge wirksam geschlossen werden.

In einem aktuellen Verfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm ging es um die Fragestellung, ob der Erblasser, bei dem bereits vor Vertragsunterzeichnung eine Demenz vom Typ Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium festgestellt wurde, eine Geschäftsfähigkeit noch gegeben war. Die behandelnden Ärzte schlossen diese bereits aus, in der notariellen Urkunde hielt der Notar jedoch fest, dass er sich von der Geschäftsfähigkeit des Erblassers ein eigenes Bild gemacht hat. Weitere Ausführungen enthielt die Urkunde jedoch nicht.

Das Oberlandesgericht Hamm kommt zu dem Ergebnis, dass ein Notar, der über keine medizinische Ausbildung verfügt, Aussagen zur Geschäftsfähigkeit in der Regel nicht treffen kann, wenn eine Demenz vorliegt. Anzeichen darauf, dass es sich um einen lichten Moment handelt, sollte dieser bei dem Krankheitsbild überhaupt möglich sein und es dem Erkrankten erlauben, für einen kurzen Zeitpunkt festzustellen, was er rechtswirksam erklärt, bedarf es hierfür Anhaltspunkte in der notariellen Urkunde.

Dies war im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, weshalb die als laienhaft qualifizierte Aussage des Notars nicht ausreichend war, um die Geschäftsfähigkeit des Erblassers festzustellen.

Praxishinweis: Liegen Anzeichen für eine Demenzerkrankung vor und soll dennoch testiert werden, so bietet es sich hierfür an, dass ein fachpsychiatrisches Gutachten vor Testierung eingeholt wird, das die Geschäftsfähigkeit des Erblassers noch belegt. Sollte dies nicht eingeholt werden und dennoch zuvor ein Testament oder ein Erbvertrag beurkundet werden, so sollte der Notar spezifisch darlegen, wie er sich über die Geschäftsfähigkeit und Testierfähigkeit des Erblassers informiert hat, welche Fragen er gestellt hat und wie er zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Geschäftsfähigkeit vorgelegen hat. Ansonsten kann es sein, dass die Urkunde keine Rechtsfolgen begründet.
OLG Hamm, Az.: 10 U 5/20, Urteil vom 13.07.2021, eingestellt am 08.01.2022