Zur Frage der Inobhutnahme bei Bindungsintoleranz und Umgangsboykott
Das Oberlandesgericht Bremen hatte in einem Verfahren über die Frage zu entscheiden, ob in einem Verfahren, in dem die Kindesmutter, die vermutlich unter einer psychiatrischen Krankheit leidet und den Willen der Kinder beeinflusst, so dass ein Umgangsboykott mit dem Kindesvater stattfindet, eine Kindeswohlgefährdung darstellt, die dazu führt, dass die Kinder durch das Jugendamt in Obhut genommen werden können.
Im erstinstanzlichen Verfahren wurde den Kindeseltern durch das Gericht die elterliche Sorge entzogen. Das Oberlandesgericht Bremen führt aus, dass bei der Erwägung einer Fremdplatzierung der Kinder im Falle eines Umgangsboykotts, der durch einen Elternteil verursacht wird, Zurückhaltung geboten sei. Es ist eine Abwägung vorzunehmen, inwieweit der Umgangsboykott eine schwerwiegendere Kindeswohlgefährdung darstellt, als die sekundäre Kindeswohlgefährdung, die durch eine Fremdplatzierung der Kinder eintritt. Das Oberlandesgericht Bremen führt aus, dass die Trennung der Kinder von ihren Eltern regelmäßig eine sehr große drohende psychosoziale Schädigung der Kinder darstellt. Im Rahmen des § 1666 BGB kann hier eine Trennung nur dann vorgenommen werden, wenn schwerstwiegende Gefahren für die Kinder bei einem Verbleib der Kinder im sozialen Umfeld vorliegen. Nur in einem solchen Fall kann ein solcher Eingriff vorgenommen werden.
Daraus ergibt sich, dass ein Umgangsboykott selbst nicht grundsätzlich geeignet ist, eine Fremdplatzierung der Kinder zu rechtfertigen.
OLG Bremen, Az. 4 UF 55/22, Beschluss vom 02.01.2023, eingestellt am 15.10.2023