Artikel 8 EMRK und das Recht auf Eintragung der Elternschaft bei Leihmutterschaft
Ein verheiratetes isländisches Ehepaar, das selbst keine Kinder hatte, ließ durch Leihmutterschaft in Kalifornien, USA, ein Kind austragen. Das ausgetragene Kind stammte genetisch weder von der Ehefrau, noch genetisch vom Ehemann ab. Mit Zeitpunkt der Geburt wurde das Kind den Eheleuten übergeben und es wurde eine Geburtsurkunde nach kalifornischem Recht erstellt, das die Eheleute als Eltern auswies. Die leibliche Mutter hatte alle Ansprüche auf das Kind abgegeben. In Island wollten die Eheleute dann ihren nach kalifornischem Recht eingetragenen Sohn als Sohn im isländischen Geburtsregister eintragen lassen. Leihmutterschaft ist in Island verboten und die Eintragung wurde behördlich verweigert, da keine genetische Abstammung vorhanden war.

Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) griffen die Eheleute diese Entscheidung an und sahen in der Ablehnung der Eintragung einen Verstoß gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonventionen (EMRK), der das Recht auf Familienleben schützt. Während des Verfahrens ließen sich die Eheleute scheiden.

Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte führt aus, dass das Recht auf Familienleben nicht auch die Annahme eines Kindes, das durch Leihmutterschaft geboren wurde und mit dem Recht eines Staates, hier Island, unvereinbar ist, gewährleistet. Das Recht auf Familienleben bedeutet, dass man als Familie zusammenleben kann, ohne dass dies beeinträchtigt wird. Es garantiert allerdings nicht die Begründung einer Familie oder das Recht auf Adoption. Eine Adoption war von den Eheleuten auch nicht beantragt worden, um hierdurch die rechtliche Stellung der Elternschaft zu erhalten.

Darüber hinaus macht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte deutlich, dass eine Beeinträchtigung des Familienlebens nicht dadurch herbeigeführt werden kann, wenn gleichzeitig eine Möglichkeit des Zusammenlebens wie in einer Pflegefamilie gesehen werden kann. Dadurch, dass die Leihmutterschaft auf Island illegal ist, war die rechtliche Stellung der Eheleute mit der Stellung von Pflegeeltern vergleichbar. Da hierin keine Einschränkung des Familienlebens zu sehen war, sah der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch keinen Verstoß gegen Artikel 8 EMRK.

Praxishinweis:
Eine Leihmutterschaft ist nach § 1 des Embryonenschutzgesetzes in Deutschland nicht zulässig. Zwar handelt sich die vorliegende Entscheidung um einen isländischen Fall, kann jedoch hinsichtlich des Verstoßes bezüglich Artikel 8 EMRK übertragen werden. Eltern, die eine Elternschaft durch Leihmutterschaft begründen wollen, wären in Deutschland einer vergleichbaren Situation ausgesetzt. Hier empfiehlt sich die Adoption des Kindes.
EGMR, Beschwerdenummer 71552/17, Urteil vom 18.05.2021, eingestellt am 08.10.2021