Eine Vollmacht zur Ausübung der alleinigen Sorge kann die gerichtliche Übertragung der alleinigen Sorge auf einen Elternteil entbehrlich machen
Wird ein Kind in eine Ehe hineingeboren, so haben beide Elternteile kraft Gesetzes die elterliche Sorge. Wird ein Kind in eine nichteheliche Lebensgemeinschaft hineingeboren, so können die Eltern eine gemeinsame Sorgerechtserklärung vor dem Jugendamt abgeben und haben dann ebenfalls beide die gemeinsame elterliche Sorge. Daneben kann in einem solchen Fall die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge gerichtlich beantragt werden, sollte sich ein Elternteil gegen die Übertragung wenden.

Trennen sich die Eltern, sei es aus einer Ehe oder aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, kommt es häufig zu Konflikten hinsichtlich der Ausübung der elterlichen Sorge, die dann gerichtlich meist durch einen Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf ein Elternteil zu entscheiden sind.

Im aktuellen Fall vor dem Bundesgerichtshof ging es um die Fragestellung, ob eine umfassende Vollmacht, die der Vater der Kindesmutter gegenüber erteilt hat, zur Sorgerechtsausübung durch die Mutter geeignet ist, oder ob es nicht dennoch der Übertragung der alleinigen Sorge auf die Mutter bedarf. Während der Vater in dem Verfahren vorgetragen hatte, dass er eine notarielle Vollmacht vorgelegt hat, die der Kindesmutter vollumfängliche Vollmachten in der Sorgerechtsausübung gegeben hat, trug die Mutter vor, dass diese Vollmacht in der Vergangenheit nicht ausreichend gewesen sei und der Vater bei Fragestellungen hinsichtlich der elterlichen Sorge nicht kooperativ gewesen sei.

In der Entscheidung führt der Bundesgerichtshof aus, dass grundsätzlich die Möglichkeit gegeben ist, eine Vollmacht zur Ausübung der elterlichen Sorge gegenüber einem Elternteil auszusprechen, sodass dieser als Bevollmächtigter die elterliche Sorge allein ausüben kann. Voraussetzung nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist allerdings, dass es eine Kooperationsfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit zwischen den Eltern gibt, sollte die Vollmacht im täglichen Leben nicht ausreichend sein. Für die Fälle, in denen sie nicht ausreichend ist, bedarf es der Abstimmung der Eltern und auch der Zustimmung der zur Entscheidung stehenden Vorgehensweise. Ist dies nicht der Fall, dann ist die Vollmacht ungeeignet, um die elterliche Sorge allein auszuüben und es bedarf der gerichtlichen Entscheidung, ob die elterliche Sorge auf einen Elternteil übertragen werden kann und dieser Elternteil geeignet ist, die elterliche Sorge dem Kindeswohl entsprechend am besten auszuüben.
BGH, Az.: XII ZB 112/19, Beschluss vom 29.04.2020, eingestellt am 15.07.2020