Kindesanhörung im Beschwerdeverfahren und die Möglichkeit, darauf zu verzichten
Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem aktuellen Nichtannahmebeschluss darüber zu entscheiden, inwieweit das Beschwerdegericht im Rahmen des familienrechtlichen Sorgerechtsverfahrens die Kinder erneut anhören muss, oder ob es sich auf eine vorherige Anhörung der Kinder durch das Amtsgericht stützen kann.

Im vorliegenden Fall stritten die Eltern um das Aufenthaltsbestimmungsrecht zweier Kinder, das im amtsgerichtlichen Verfahren auf die Mutter übertragen wurde. Gegen diese Entscheidung legte der Vater vor dem Oberlandesgericht Beschwerde ein. Im Beschwerdeverfahren wurden die Kinder nicht erneut vom Beschwerdesenat angehört, sondern der Senat stützte sich vielmehr auf die Aussagen, die die Kinder bereits im amtsgerichtlichen Verfahren getroffen hatten. Der Grund dafür war, dass aus Sicht des Beschwerdesenats nur ein kurzer Zeitraum zwischen amtsgerichtlicher Anhörung und Beschwerde vergangen war, zudem wurde aufgrund der Aktenlage erwartet, dass aufgrund des Umzugs der Kinder keine weiteren kindeswohlgefährdenden Gesichtspunkte vorlagen, die eine Anhörung erforderlich machten, die im Übrigen auch nicht vorgetragen wurden. Dies wurde im Beschwerdeverfahren durch das Beschwerdegericht auch so dokumentiert.

Das Bundesverfassungsgericht führt aus, dass in Sorgerechtsentscheidungen sich das amtsgerichtliche Verfahren auch am Wohl der Kinder zu orientieren hat, hierzu gehört auch die Anhörung der Kinder. Wesentlich ist aber, dass die gerichtlichen Verfahren so ausgestaltet sein müssen, dass sie eine zuverlässige Grundlage einer Entscheidung, die am Kindeswohl orientiert ist, ermöglichen. Im Rahmen dieses Verfahrens ist es dann den tatrichterlichen Gerichten überlassen, im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes das Verfahren geeignet und am Kindeswohl orientiert zu führen und zu entscheiden.
Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits zuvor entschieden, dass es einer erneuten Anhörung der beteiligten Kinder in der Regel nicht bedarf, wenn diese nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Das Beschwerdegericht hat, wenn es auf eine erneute Anhörung der Kinder verzichtet, dies dazulegen, weshalb es davon ausgeht, dass durch eine erneute Anhörung der Kinder kein neuer Erkenntnisgewinn erzielt werden kann. Möglich ist auch, dass eine Kindesanhörung durch einen ersuchten Richter und nicht durch den Beschwerdesenat stattfindet und dass eine solche Anhörung auch ohne die Verfahrensbeiständin stattfinden kann.
Bundesverfassungsgericht, Az.: BvR 663/19, Nichtannahmebeschluss vom 13.05.2020, eingestellt am 22.09.2020