Ehescheidungsfolgenvereinbarung und die Notwendigkeit des anwaltlichen Hinweises auf steuerrechtliche Beratung
Im Rahmen einer Ehescheidung können Ehegatten eine Scheidungsfolgenvereinbarung abschließen, in der beispielsweise der Zugewinn durch Übertragung von Immobilien oder Immobilienanteilen ausgeglichen wird.

In einem aktuellen Fall vor dem Bundesgerichtshof ging es um die Fragestellung, ob ein Anwalt einen Hinweis gegenüber dem Mandanten abgeben muss, dass eine steuerrechtliche Beratung notwendig ist. In dem Fall hatte eine Mandantin an Ihren Ehemann im Rahmen des Zugewinnausgleichs einen Zugewinnausgleichsanspruch zu erstatten. Im Rahmen der Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung zwischen den Eheleuten wurde dem Ehemann eine Immobilie der Mandantin übertragen. Der Anwalt hatte in der Angelegenheit seine Mandantin steuerrechtlich nicht beraten und hatte ihr gegenüber aber auch keinen Hinweis gegeben, dass ggf. eine steuerrechtliche Thematik der Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung zugrunde liegt und die Mandantin sich steuerrechtlich beraten sollte.

Im Rahmen der Vereinbarung übertrug die Mandantin ein Mietshaus, das ihr noch keine 10 Jahre lang gehört hat.

Werden Grundstücke innerhalb eines Zeitraums von weniger als 10 Jahren veräußert, die nicht zuvor mindestens 3 Jahre in Eigennutzung gewesen sind und die einen Wertzuwachs erfahren haben, kann unter den Voraussetzungen des § 22 Nr. 2 EStG i. V. m. § 23 EStG die Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn des Übertragungsgegenstandes als Veräußerungsgeschäft fällig werden. Dies traf im vorliegenden Fall auch die Mandantin.

Der BGH führt aus, dass ein Anwalt, der mit einem allgemeinen Beratungsmandat im Familienrecht betraut ist, grundsätzlich keine steuerrechtlichen Hinweise gegenüber der Mandantin zu erfüllen hat, da Mandanten grundsätzlich in der Lage seien, zwischen einer allgemeinen anwaltlichen Beratung und einer steuerrechtlichen Beratung zu unterscheiden. Im vorliegenden Fall konnte dem Rechtsanwalt jedoch eine Pflichtverletzung vorgeworfen werden, da es in der anwaltlichen Fachliteratur zum Familienrecht über das Thema „Übertragung von Grundstücken im Rahmen von Ehescheidungsvereinbarungen als Ausgleich für Zugewinnausgleichsansprüche“ zahlreiche Veröffentlichung zur steuerrechtlichen Bewertung gegeben hat. Da dem Anwalt die Kenntnis des aktuellen familienrechtlichen Schrifttums gefehlt hat, war darin eine Pflichtverletzung in der Beratung zu sehen.

Praxishinweis:
Sowohl für die Mandantschaft als auch für den Anwalt, der steuerrechtlich nicht berät ist, ist es erforderlich, bei Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarungen eine separate steuerrechtliche Prüfung vornehmen zu lassen. Dies betrifft im vorliegenden Fall zwar lediglich die Übertragung von Grundstücken innerhalb eines 10-Jahres-Zeitraums im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung. Grundsätzlich sollten sich Mandanten bei der Übertragung von Vermögenspositionen spezifischen steuerrechtlichen Rat einholen.
BGH, Az. IX ZR 61/19, Urteil vom 09.01.2020, eingestellt am 07.04.2020