Versorgungsausleich
Das Grundprinzip des Versorgungsausgleichs ist einfach. Jede Versorgungsanwartschaft (Rente, Pension, Invaliditätsabsicherung), die die Ehegatten während der Ehezeit erworben haben, soll im Zeitpunkt der Scheidung zwischen den Ehegatten hälftig geteilt werden (Halbteilungsgrundsatz). Der Grund für diese Regelung kann im Nachteilsausgleich zwischen den Ehegatten gesehen werden. Nachteile, die für den einen Ehegatten in der ehelichen Rollenverteilung liegen (beispielsweise die Kinderbetreuung und verminderte Erwerbstätigkeit), sollen am Ende der Ehe ausgeglichen werden. Bei Fortbestand der Ehe würden beide Ehegatten von den jeweiligen Rentenansprüchen profitieren, da sie die Einkommensbasis im Rentenalter darstellen. Mit der Scheidung wird dies aber nicht fortgesetzt, so dass der Gesetzgeber den Versorgungsausgleich nach dem Versorgungsausgleichsgesetz vorsieht.
Der Versorgungsausgleich wird im Fall der Ehescheidung durch das Familiengericht durchgeführt. Ein gesonderter Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs ist nicht erforderlich. Die Aufteilung erfolgt kraft Gesetzes.
Besonderheiten ergeben sich nach den Regelungen des internationalen Privatrechts, wenn ein oder beide Ehegatten Ausländer sind aber deutsches Recht auf die Ehescheidung Anwendung findet.
Die Eheleute können auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichten. Der Verzicht kann durch einen Ehevertrag geschehen oder aber im Scheidungsprozess gemeinsam erklärt werden.
Bei einer geringen Ehedauer von weniger als drei Jahren findet ein Versorgungsausgleich nur auf Antrag eines Ehegatten statt.
Unverheirateten Paaren steht kein Recht auf den Versorgungsausgleich zu.
Im Gegensatz zum Zugewinnausgleich findet in der Regel kein finanzieller Ausgleich zwischen den Ehegatten statt. Da es um die Teilung von Renten- oder Pensionsanwartschaften geht, erfolgt eine Zahlung erst mit Eintritt des Versorgungsfalls. Der Ausgleich besteht also in einer erhöhten oder verringerten Rentenzahlung.
Auch wenn die Ehegatten bereits Renten, Pensionen oder ähnliche Versorgungsleistungen aufgrund einer Alters- oder Invaliditätsabsicherung erhalten, findet ein Versorgungsausgleich im Scheidungsfall statt.
Einzubeziehende Anrechte
Das Versorgungsausgleichsgesetz unterscheidet in Anrechte der Alters- und Invaliditätsvorsorge, die in den Versorgungsausgleich einzubeziehen sind und nicht einzubeziehende Anrechte. Anrechte, die für einen Versorgungsausgleich von Bedeutung sind:
- Gesetzliche Rentenversicherung
- Beamtenversorgung
- berufsständische Versorgungswerke (Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Architekten)
- private Rentenversicherung, Kapitallebensversicherung mit unwiderruflich ausgeübten Rentenwahlrecht
- Invaliditätsversicherung (Berufsunfähigkeitsversicherung), sofern auf unwiderruflicher Rentenbasis
- Riester-Rente
- Rürup-Rente
- Erwerbsunfähigkeitsrente
- Anrechte aus Unternehmerversorgung von Gesellschafter-Geschäftsführern
- Anrechte aus Unternehmerversorgung von beherrschenden Gesellschaftern
- Unverfallbare Betriebsrenten
- Sonstige Anrechte der Altersvorsorge und Invaliditätsvorsorge
Nicht einzubeziehende Anrechte
Nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen werden:
- Anrechte aus einer Kapitallebensversicherung, sofern das Rentenwahlrecht nicht ausgeübt wurde (ein Ausgleich erfolgt gegebenenfalls über den Zugewinnausgleich)
- Risikolebensversicherung
- Renten ohne Bezug zur Erwerbsunfähigkeit oder Alter
- Leistungen mit Entschädigungscharakter, wie Unfallrenten
- Anrechte aus der Arbeitslosenversicherung
- Geschenkte, direkt in eine Versorgung eingezahlte Rechte
Erwerb des Anrechts während der Ehezeit
Notwendig für die Einbeziehung des Anrechts in den Versorgungsausgleich ist, dass das Anrecht durch eigene Arbeit oder eigenes Vermögen während der Ehezeit erworben wurde. Anrechte die vor oder nach der Ehezeit erworben wurden, werden nicht berücksichtigt. Die Stichtage für die Ehezeitberechnung sind der Anfang des Monats der Eheschließung (Ehezeitanfang) und das Ende des Monats der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags (Ehezeitende). Auch Ehezeiten während der Trennung werden berücksichtigt. Nur in Ausnahmefällen können diese unberücksichtigt bleiben, wenn die Trennung ungewöhnlich lange andauert und ein Ausgleich ungerechtfertigt wäre.
Verbot der Doppelbewertung
Anrechte, die dem Versorgungsausgleich unterliegen und im Versorgungsausgleich ausgeglichen werden, dürfen nicht auch im schuldrechtlichen Zugewinnausgleich berücksichtigt werden.
Halbteilungsgrundsatz und Ausgleich
Für jedes bestehende Anrecht, das dem Versorgungsausgleich unterliegt, ist ein Versorgungsausgleich durchzuführen. Haben die Ehegatten einen Rentenanspruch, einen Pensionsanspruch und daneben noch eine Riester-Rente und eine Lebensversicherung, dann sind vier Versorgungsanrechte zwischen den Ehegatten auszugleichen. Jedem ausgleichsberechtigten Ehegatten steht die Hälfte des Wertes des in der Ehezeit erworbenen Anrechts als Ausgleichswert zu. Der Ehezeitanteil ergibt sich aus der Zeit zwischen Ehezeitanfang und Ehezeitende. Der Versorgungsträger bestimmt nach seiner Satzung oder Teilungsordnung, wie der Ausgleichswert ermittelt wird. Drei Teilungsarten sind zu unterscheiden:
Rentenhalbteilung
Bei der Rentenhalbteilung wird die während der Ehezeitdauer erworbene und auszuzahlende Rente geteilt. Hatte der Ehemann einen Rentenanspruch von 2.000 Euro, so wird hiervon die Hälfte im Versorgungsausgleich auf die Ehefrau übertragen. Von der ursprünglichen Rente von 2.000 Euro des Ehemannes erhalten nun beide Ehegatten jeweils 1.000 Euro.
Barwerthalbteilung
Bei der Barwerthalbteilung halbiert der Versorgungsträger den Wert des Kapitals, der dem Versorgungsanspruch zugrunde liegt. Liegt dem ehezeitlichen Versorgungsanrecht ein Barwert von 10.000 Euro zugrunde, aus dem im Leistungsfall die Versorgungsleistung erfüllt wird, so wird dieser Betrag halbiert. Beiden Ehegatten steht dann ein Barwert von 5.000 Euro bei dem Versorgungsträger zu.
Die Barwerthalbteilung führt nicht zwangsläufig dazu, dass die Ehegatten nach dem Versorgungsausgleich Versorgungsleistungen des Versicherers in der gleichen Höhe erhalten. Der Grund dafür liegt in statistischen Berechnungen und Risikoeinschätzungen, wie der unterschiedlichen Lebenserwartung von Mann und Frau, die beim Bezug der Versicherungsleistung mitberücksichtigt werden.
Barwerthalbteilung verbunden mit dem Ziel der Rentenanrechte in gleicher Höhe
Bei dieser Form der Barwertteilung wird angestrebt, dass beide Ehegatten am Ende dieselbe Rentenhöhe erhalten. Aufgrund statistischer Unterschiede in der Lebenserwartung und Risikobewertung von Männern und Frauen kann dies dazu führen, dass zwar beide Ehegatten dieselbe Rentenhöhe erzielen, der Ehemann im Verhältnis zur Rentenhalbteilung aber ein geringeres monatliches Renteneinkommen hat.
Auskunftsanspruch und Auskunftspflicht
Die Ehegatten sind sich im Versorgungsausgleichsverfahren gegenseitig und gegenüber dem Gericht zur Auskunftserteilung über bestehende Versorgungsanrechte verpflichtet. Auch die Versorgungsträger selbst trifft eine Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht.
Der Auskunftsanspruch kann im familiengerichtlichen Verfahren isoliert oder im Verbund mit dem Scheidungsverfahren als Stufenantrag erhoben werden.
Versorgungsausgleich im internationalen Privatrecht
Besonderheiten bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs ergeben sich, wenn ein oder beide Ehegatten Ausländer sind. Nach der Rom III Verordnung, Verordnung (EU) Nr. 1259/2010, findet ein Versorgungsausgleich nach deutschem Recht nur Anwendung, wenn auf die Ehescheidung deutsches Recht anzuwenden ist und wenigstens eines der Staaten, denen die Ehegatten im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages angehören, den Versorgungsausgleich kennt. Im Rahmen des internationalen Privatrechts ist der Versorgungsausgleich demzufolge an enge Voraussetzungen geknüpft und wird nicht in jedem Fall durchgeführt.
Hat ein Ehegatte während der Ehezeit bei einem deutschen Versorgungsträger eine Versorgungsanwartschaft erworben, so ist der Versorgungsausgleich auf Antrag durchzuführen. Einer Durchführung des Versorgungsausgleichs können in dem Fall aber Billigkeitserwägungen entgegenstehen. Wäre es mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten während der Ehezeit unbillig, einen Versorgungsausgleich durchzuführen, so findet ein Versorgungsausgleich, auch wenn er beantragt wurde, nicht statt. Hat beispielsweise nur ein Ehegatte deutsche Rentenanwartschaften erworben, während der andere Ehegatte im Ausland Vermögen aufgebaut hat, dass für einen Versorgungsausgleich aber nicht berücksichtigt wird, so kann es zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs kommen.