Internationales Privatrecht und Abstammungsrecht
Auch im Abstammungsrecht kann es zu Fragen des gewöhnlichen Aufenthalts eines Kindes kommen, wenn der Ort der Geburt ein anderer als der Lebensmittelpunkt der Eltern mit grenzüberschreitendem Kontext ist. Nach deutschem internationalem Privatrecht regelt Artikel 19 Abs. 1 EGBGB, dass für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthaltes eines neugeborenen Kindes dessen körperliche Anwesenheit in dem Land Voraussetzung ist.

In einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs ging es in einem Verfahren um die Fragestellung, welches Recht im internationalen Zusammenhang auf die Abstammung eines Kindes anzuwenden sei. Die Mutter stammt aus Nigeria, hatte 2005 in Spanien geheiratet und lebte mit ihrem Ehemann in Spanien. Im Jahr 2014 gebar sie Zwillinge in der Schweiz. Der biologische Vater der Zwillinge war jedoch nicht der Ehemann der Kindesmutter. Die Ehefrau liess sich im Jahr 2015 von ihrem Ehemann in Spanien scheiden. Im Anschluss erkannte der biologische Vater die Vaterschaft der Kinder in der Schweiz an. Im weiteren Verlauf zog die Kindesmutter mit dem biologischen Vater nach Deutschland, da dieser deutschstämmig ist. In Deutschland sollte der biologische Vater als Vater der Kinder im Geburtenregister eingetragen werden, was vom Standesamt abgelehnt wurde.

Das Kammergericht Berlin, das für die Angelegenheit im internationalen Kontext zuständig war, führt in seiner Entscheidung aus, dass es für die Feststellung des anzuwendenden internationalen Privatrechts nach Artikel 19 Abs. 1 EGBGB darauf ankommt, wo das Kind zum Zeitpunkt der Geburt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das Kammergericht sah es auf Grund der Tatsache an, dass die Kinder nach ihrer Geburt für einen längeren Zeitraum in der Schweiz lebten, dass diese ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hatten. Aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts sei somit das Schweizer Recht anwendbar. Das Schweizer Recht führt jedoch aus, dass Vater des Kindes derjenige ist, der bei der Geburt der Kinder mit der Kindesmutter verheiratet ist. Da die Kindesmutter zum Zeitpunkt der Geburt mit ihrem Ehemann verheiratet war und die Scheidung nach spanischem Recht noch nicht rechtskräftig war, galt der Ehemann und nicht der biologische Vater als Vater der Zwillinge, auch wenn er nicht der biologische Vater war.
Kammergericht, Az.: 1 W 1277/20 und 1 W 1037/20, Beschluss vom 17.11.2020, eingestellt am 21.01.2021