Zur Frage der Diskriminierung, wenn die genetische Mutter ihr eigenes Kind zu adoptieren hat
Am 12. November 2024 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Fall R.F. und andere gegen Deutschland (Beschwerde Nr. 46808/16), dass es keine Diskriminierung darstellt, wenn eine genetische Mutter ihr eigenes Kind adoptieren muss, das von ihrer Partnerin ausgetragen wurde. Der EGMR sah keinen Verstoß gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) in dieser Regelung.
Die Beschwerdeführerinnen waren ein lesbisches Paar aus Deutschland, das seit 2010 in einer eingetragenen Partnerschaft lebte, sowie deren Sohn. Im Jahr 2013 brachte eine der Frauen einen Sohn zur Welt, nachdem sie eine anonyme Samenspende und die Eizelle ihrer Partnerin verwendet hatten. Diese Form der künstlichen Befruchtung war in Deutschland nicht erlaubt, weshalb das Paar nach Belgien reiste. Nach der Geburt wurde jedoch nur die austragende Mutter in die Geburtsurkunde eingetragen. Die genetische Mutter musste das Kind adoptieren, um rechtlich als Elternteil anerkannt zu werden. Das Paar argumentierte, dass diese Regelung diskriminierend sei, da die genetische Mutter trotz eines fast vollständigen DNA-Matches ihr eigenes Kind adoptieren musste. Sie sahen darin eine Verletzung ihres Privat- und Familienlebens gemäß Artikel 8 EMRK.
Der EGMR wies die Beschwerde ab und stellte fest, dass die Adoption durch die genetische Mutter keine wesentliche Beeinträchtigung des Privat- und Familienlebens darstelle. Das Gericht argumentierte, dass die rechtliche Notwendigkeit der Adoption keine unverhältnismäßige Belastung sei und das Paar nicht nachweisen konnte, dass diese Regelung ihren Alltag erheblich erschwert hätte. Das Gericht betonte zudem, dass nationale Gesetzgeber in solchen Fragen einen weiten Ermessensspielraum haben. Es gab an, dass die rechtliche Situation in Deutschland zwar Unterschiede zwischen gleichgeschlechtlichen und heterosexuellen Elternpaaren mit sich bringe, dies aber nicht automatisch eine Diskriminierung darstelle.
Das Urteil reiht sich in eine Serie von Entscheidungen ein, in denen der EGMR den Staaten einen breiten Gestaltungsspielraum bei familienrechtlichen Fragen zugesteht. Es macht jedoch auch deutlich, dass der Schutz des Privat- und Familienlebens nicht automatisch bedeutet, bestehende nationale Regelungen als diskriminierend einzustufen.
EuGHMR-Urteil v. 12.11.2024 – Beschwerde Nr. 46808/16, eingestellt am 01.01.2025