Kein Doppelbewertungsverbot bei Tilgungsleistungen im Zugewinn und Unterhalt
Der Beschluss des OLG Stuttgart (16 UF 144/23, NJW 2025, 594) behandelt die Frage, ob Immobiliendarlehen eines Ehegatten sowohl im Zugewinnausgleich als auch im nachehelichen Unterhalt berücksichtigt werden dürfen, ohne gegen das sogenannte Doppelverwertungsverbot zu verstoßen.
Die Parteien waren seit 2006 verheiratet, trennten sich 2019 und wurden 2023 geschieden. Der Mann ist Ingenieur, die Frau Erzieherin. Beide sind vollschichtig erwerbstätig. Der Mann leistet für die bei der Frau lebenden Kinder Barunterhalt. Die Frau bewohnt eine im Alleineigentum des Mannes stehende Immobilie, die durch ein Darlehen finanziert wird. Im Zugewinnausgleich wurde die Immobilie samt Darlehen berücksichtigt; der Mann zahlte einen Ausgleich an die Frau. Das Amtsgericht verpflichtete ihn zusätzlich zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt. Dagegen richtete sich die Beschwerde des Mannes, die überwiegend Erfolg hatte.
Das OLG Stuttgart hält fest, dass das Verbot der Doppelverwertung grundsätzlich verhindern soll, dass ein Ehegatte doppelt an einer geldwerten Position des anderen teilhat. Im Zusammenhang mit Immobiliendarlehen bedeutet dies, dass eine doppelte Berücksichtigung derselben Verbindlichkeit im Zugewinnausgleich und beim Unterhalt nur dann unzulässig ist, wenn beide Ausgleichssysteme denselben Vermögensgegenstand betreffen würden. Das ist jedoch nicht der Fall: Der Zugewinnausgleich ist stichtagsbezogen und betrifft das Endvermögen (inklusive Schulden), während der Unterhalt auf laufende Einkünfte und Vermögenserträge abstellt.
Das Gericht stellt klar, dass das Doppelverwertungsverbot im vorliegenden Fall nicht greift, weil dem Nachteil der Verbindlichkeit (Darlehen) in beiden Ausgleichssystemen ein wirtschaftlicher Vorteil gegenübersteht: Im Zugewinnausgleich steht der Restschuld am Stichtag ein übersteigender Wert der Immobilie gegenüber, beim Unterhalt erhöht der Wohnvorteil das Einkommen. Daher ist es zulässig, die Darlehensrate (inklusive Tilgung) bis zur Höhe des Wohnvorteils vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzuziehen. Eine einseitige Benachteiligung des Unterhaltsberechtigten tritt nicht ein, da der Nachteil der Verbindlichkeit durch die jeweiligen Vorteile ausgeglichen wird.
Das OLG Stuttgart setzt den nachehelichen Unterhalt deutlich herab und befristet ihn auf vier Jahre. Die Darlehensrate wird weiterhin als abzugsfähiger Posten anerkannt. Das Doppelverwertungsverbot gilt nicht, weil der Unterhaltsberechtigte durch die Immobilie im Zugewinnausgleich und den Wohnvorteil im Unterhalt ausreichend kompensiert wird. Die Rechtslage ist damit für die Praxis geklärt, solange die Verbindlichkeit im Zugewinnausgleich und im Unterhalt jeweils durch einen wirtschaftlichen Vorteil ausgeglichen wird.
OLG Stuttgart, Az.: 16 UF 144/23, Beschluss vom 11.07.2024, eingestellt am 08.07.2025