Freibetrag und Steuerklasse bei der Übertragung von Vermögen auf eine Familienstiftung
Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Februar 2024 (Az. II R 25/21) behandelt die steuerrechtliche Einordnung von Übertragungen von Vermögen auf Familienstiftungen im Hinblick auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer. Es klärt insbesondere die Anwendung des sogenannten Steuerklassenprivilegs nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG.

Ein Stifter-Ehepaar hatte eine Familienstiftung gegründet, deren Zweck unter anderem die Versorgung der Stifter selbst, die finanzielle Unterstützung ihrer Tochter sowie weiterer Nachkommen „nach dem Wegfall der vorherigen Generation“ vorsah. Die zentrale Frage war, wie der Freibetrag und die Steuerklasse bei der Übertragung von Vermögen auf diese Stiftung zu bestimmen sind, insbesondere im Hinblick auf potenzielle zukünftige Begünstigte, die noch nicht geboren waren. Das Niedersächsische Finanzgericht hatte zuvor entschieden, dass bei Familienstiftungen alle Personen als „entferntest Berechtigte“ im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG gelten, die nach der Stiftungssatzung potenziell Vermögensvorteile erlangen könnten – unabhängig davon, ob diese Personen bereits existieren oder jemals existieren werden. Diese Sichtweise wurde von der Finanzverwaltung geteilt. Das Finanzgericht ließ jedoch eine Revision zu, da es keine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Auslegung gab.

Der BFH wies die Revision der Stifter zurück und bestätigte die Auffassung des Finanzgerichts. In seinen Leitsätzen stellte der BFH klar, dass für die Bestimmung der anwendbaren Steuerklasse und des Freibetrags entscheidend ist, wer nach der Stiftungssatzung potenziell Vermögensvorteile aus der Stiftung erhalten kann. Ferner ist es unerheblich, ob diese Personen zum Zeitpunkt des Stiftungsgeschäfts bereits geboren sind, jemals geboren werden oder tatsächlich finanzielle Vorteile aus der Stiftung ziehen werden.

Diese Auslegung führt dazu, dass bei Familienstiftungen in vielen Fällen Steuerklasse III mit den entsprechend niedrigeren Freibeträgen und höheren Steuersätzen anzuwenden ist. Dies gilt selbst dann, wenn die Mehrheit der potenziellen Begünstigten nahe Verwandte des Stifters sind.

Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für Familienstiftungen in Deutschland:

Es bestätigt eine restriktive Auslegung des Steuerklassenprivilegs bei Familienstiftungen und erschwert es Stiftern, von den günstigeren Steuerklassen I oder II zu profitieren. Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit für die Finanzverwaltung und Gerichte, indem sie klärt, dass auch rein theoretische zukünftige Begünstigungen für die steuerliche Einordnung maßgeblich sind. Für Stifter bedeutet dies eine potenziell höhere steuerliche Belastung bei der Übertragung von Vermögen auf eine Familienstiftung.

Das Urteil verdeutlicht zudem die Bedeutung einer sorgfältigen Gestaltung der Stiftungssatzung und einer fundierten Planung im Vorfeld einer Stiftungsgründung.
BFH, Aktenzeichen II R 25/21, Urteil vom 28.02.2024, eingestellt am 07.01.2025