Neubeginn der Vaterschaftsanfechtungsfrist nach §1600b VI BGB
Die Entscheidung des OLG Nürnberg vom 19.9.2024 befasst sich mit den Voraussetzungen für einen Neubeginn der Anfechtungsfrist der Vaterschaft gemäß § 1600b VI BGB. Die Frist einer solchen Vaterschaftsanfechtung beträgt 2 Jahre. Im vorliegenden Fall beantragte eine 1996 geborene Frau Verfahrenskostenhilfe (VKH) für ein Verfahren zur Anfechtung der Vaterschaft ihres verstorbenen Scheinvaters. Das Gericht wies die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der VKH zurück, da die zweijährige Anfechtungsfrist des § 1600b I 1 BGB bereits verstrichen war und die Voraussetzungen für einen Neubeginn der Frist nach § 1600b VI BGB nicht vorlagen.
Der Neubeginn der Frist setzt voraus, dass das Kind Kenntnis von Umständen erlangt hat, die die Folgen der Vaterschaft unzumutbar machen. Das Gericht betonte, dass diese Norm restriktiv zu handhaben sei und verwies auf die früheren Regelungen des § 1596 I BGB. Diese Norm ist heute aufgehoben, verdeutlicht aber den Gedanken des früheren Gesetzgebers für die Unzumutbarkeit der Vaterschaftsfolgen Eine Unzumutbarkeit konnte danach in folgenden Fällen vorliegen: Ehrloser oder unsittlicher Lebenswandel des Mannes, bei schwerer Verfehlung des Mannes gegen das Kind, bei schwerer Erbkrankheit des Mannes oder bei Scheidung oder dauerhafter Trennung der rechtlichen Eltern.
Im Fall des Todes des Scheinvaters müssen bei Volljährigkeit des Kindes weitere Umstände hinzutreten, die die Abstammungssituation als nicht mehr hinnehmbar erscheinen lassen.
Das OLG sah die Voraussetzungen für einen Neubeginn der Frist jedoch nicht als erfüllt an. Die Scheidung der Eltern lag bereits mehrere Jahre zurück, es bestand seit langem kein Kontakt mehr zum Scheinvater und die Antragstellerin hatte auch nach der Geburt ihres eigenen Kindes 2020 keinen Anlass zur Klärung der eigenen Abstammung zum Scheinvater gesehen.
Der einzige Grund, den die Antragstellerin im Verfahren für die jetzige Anfechtung anführte war ihre Heranziehung, die Beerdigungskosten des Scheinvaters zu zahlen.
Das Gericht befand, dass diese moderate finanzielle Belastung allein nicht ausreiche, um die Unzumutbarkeit der Folgen der Vaterschaft zu begründen, insbesondere da die rechtliche Abstammungssituation über 20 Jahre lang bei unveränderten Umständen hingenommen wurde. Diese Entscheidung verdeutlicht die hohe Hürde für einen Neubeginn der Anfechtungsfrist nach § 1600b VI BGB und unterstreicht die Notwendigkeit einer restriktiven Auslegung dieser Ausnahmeregelung.
OLG Nürnberg, Az.: 9 WF 753/24, Beschluss vom 19.09.2024, eingestellt am 08.02.2025