Übertragung der elterlichen Sorge bei häuslicher Gewalt trotz Angebots der Erteilung einer Sorgerechtsvollmacht
Der Beschluss des OLG Bremen vom 1. Juli 2025 (Az.: 4 UF 38/25) betrifft die Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil zur alleinigen Ausübung bei häuslicher Gewalt durch den anderen Elternteil. Im konkreten Fall lebten die Eltern dreier minderjähriger Kinder getrennt. Während des Verfahrens kam es zu erheblichen gewalttätigen Übergriffen durch den Kindesvater gegenüber der Kindesmutter. In der mündlichen Anhörung versuchte der Vater, den Konflikt mittels einer vollumfänglichen Sorgerechtsvollmacht zugunsten der Mutter zu regeln, verweigerte jedoch ausdrücklich die Zustimmung zur beantragten Alleinsorge der Mutter. Das Amtsgericht hatte bereits im ersten Rechtszug die alleinige elterliche Sorge auf die Mutter übertragen.

Das OLG Bremen bestätigte diese Entscheidung und begründete sie ausführlich mit dem Kindeswohl. Es wurde betont, dass die massive Gewalt des Vaters und dessen Bagatellisierung seines eigenen Verhaltens einer weiteren gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge entgegenstehen. Die Rechte und die Sicherheit der Kindesmutter und der Kinder könnten nach Auffassung des Gerichts nur durch die vollständige Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge gewahrt werden. Eine bloße Vollmacht des Vaters zugunsten der Mutter sei in dieser Situation kein tragfähiges, „milderes Mittel“. Denn auch bei Erteilung einer Sorgerechtsvollmacht bliebe es der Mutter nicht erspart, in bestimmten Belangen mit dem Vater weiterhin zu kooperieren, was unter den bestehenden Umständen nicht zumutbar sei.

Das Gericht führte weiter aus, dass die elterliche Sorge in zwei Stufen zu prüfen sei: Zunächst, ob die Aufhebung der gemeinsamen Sorge überhaupt notwendig ist, und sodann, ob die Übertragung auf den beantragenden Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht. Nur wenn kein milderes Mittel als die Übertragung der Alleinsorge vorhanden ist, ist diese gerechtfertigt. Im zu entscheidenden Fall gehe das Gericht davon aus, dass die Eltern auch künftig in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge nicht ausreichend konstruktiv und ohne weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zusammenarbeiten könnten. Maßgeblich für das Gericht war letztlich, dass die Übertragung der Alleinsorge auf die Mutter nach Abwägung aller Umstände dem Wohl der Kinder am besten dient und weitere Eskalationen oder Gefährdungen für Mutter und Kinder verhindert werden können. Die Beschwerde des Vaters gegen die Entscheidung des Amtsgerichts blieb daher ohne Erfolg. Das OLG gab in seinem Beschluss damit eine klare Orientierung für vergleichbare Fälle häuslicher Gewalt im Kontext des Sorgerechts.
OLG Bremen, Az.: 4 UF 38/25, Beschluss vom 01.07.2025, eingestellt am 08.10.2025

Dr. jur. Christian Kasten